Ein Plädoyer, nicht für MEHR Zeit für sich, sondern für BESSER genutzte ...
von Jana Strahl
Wenn ich mit Eltern über das Thema Selbstfürsorge spreche, kommt mir immer wieder ein Bild in den Sinn, das ich dann auch an die Eltern weitergebe: Bei der Sicherheitsunterweisung im Flugzeug wird immer erklärt, dass man im Notfall unbedingt erst sich selbst die Sauerstoffmaske aufsetzen soll und dann erst dem Kind und seinem Nachbarn dabei helfen sollte.
Was sagt uns dieses Bild in Bezug auf Eltern? Eltern haben einen aufreibenden Alltag mit vielen Herausforderungen. Insbesondere berufstätige Eltern müssen nicht selten 14-16 Stunden am Tag nahezu dauerhaft Vollpower geben und das zehrt an den Kräften. Deshalb müssen sie für sich sorgen und immer wieder schauen, wo ihre Krafttankstellen sind und wie sie ihre persönlichen Akkus wieder gut aufladen und in eine Balance bringen können. Denn wenn unser Anspruch ist, dass wir dieses Quäntchen mehr Geduld und Gelassenheit für unsere Kinder, das diese so dringend brauchen, haben wollen, geht das nicht, wenn wir permanent auf einem hohen Stresslevel agieren.
Eltern in besonderen Belastungssituationen – wie eine Trennung oder gar der Verlust des Partners/ der Partnerin – müssen ganz besonders auf sich achten.
Wenn ich in meinen Elternkursen oder -seminaren bzw. in der Arbeit mit alleinerziehenden Müttern und Vätern dieses Thema anspreche, sind die Reaktionen immer ähnlich: abwinken, stöhnen und „Wie sollen wir das denn machen?“. Verständlich, aber es geht hier gar nicht unbedingt um viel freie Zeit. Eltern argumentieren häufig, sie können sich keine Zeit für sich nehmen, weil sie hierbei von mehreren Stunden, einem ganzen Tag oder gar mehreren ausgehen. Ja, natürlich, ein halber oder ganzer Tag oder gar ein ganzes Wochenende für sich, das wäre schön und ist sicher auch von Zeit zu Zeit wichtig. Für Alleinerziehende ist das aber tatsächlich noch viel schwerer möglich als für Elternpaare. Aber wie nun für sich sorgen, wenn man niemanden hat, der die Kinder nehmen könnte?
Es gilt, die Denkweise zu ändern: Es geht nicht um viel Zeit, sondern um GUT GENUTZTE Zeit! Also handeln nach dem Grundsatz Qualität > Quantität!
Was einem selbst hilft und nützt, muss man versuchen, herauszufinden. Vielleicht ist Yoga etwas, woran man grundsätzlich Gefallen findet, dann hilft es vielleicht schon, sich jeden Tag ein paar Minuten abzuknapsen und ein, zwei bewusste Yogaübungen zu machen. Oder aber am Nachmittag nach der Ankunft aus dem Kindergarten erstmal eine Viertelstunde mit einem Kaffee oder Tee kurz hinsetzen, tief durchatmen und dann für den Rest des Tages vielleicht schon wieder etwas mehr Power haben.
Kindern kann man das schon in sehr jungem Altern verständlich machen. Selbstverständlich braucht es, wenn noch kleine Kinder da sind, evtl. einen Blick auf das Kind, aber schon Zweijährige lassen sich für kurze Zeit beschäftigen und das muss nicht unbedingt der Fernseher oder das Handy sein. Vielleicht hilft eine Sanduhr auch dabei, dem Kind zu zeigen, wann man wieder „on Air“ ist.
Eine Sanduhr von 15 Minuten könnte man beispielsweise in Sichtweite des Kindes aufstellen mit den Worten „Mama/ Papa braucht mal eine Pause. Während du hier lieb alleine spielst/ malst/ das Buch anschaust, setze ich mich mal hin und trinke einen Kaffee. Schau mal auf die Sanduhr, wenn der Sand ganz durchgerieselt ist, dann können wir auch wieder etwas zusammen machen.“
Häufig berichten mir Mütter und Väter, dass diese Art Aufforderungen vom Kind nicht akzeptiert werden. Hier kann schon die Art und Weise der Kommunikation etwas verändern. Meine ich diese Worte so und formuliere sie freundlich, aber eben auch unmissverständlich und fest oder ist es eher so, dass meine Worte mehr fragen, als sagen und das vielleicht auch in einem eher flehenden Ton?
Klare Kommunikation ist auch hier enorm wichtig. Meinen Sie, was Sie sagen! Bleiben Sie – insbesondere für kleine Kinder – sichtbar, kümmern sich aber in diesen 15 Minuten wirklich nur um sich!
Konnten Sie diese Zeit für sich nutzen, weil Ihr Kind es geschafft hat, sich selbst zu beschäftigen und Sie in Ruhe zu lassen, äußern Sie danach Ihre Freude darüber: „Toll, dass ich jetzt in Ruhe meinen Kaffee trinken konnte und du hier so schön gemalt hast.“
In diesem Sinne wünsche ich Ihnen gutes Gelingen oder wundervolle – kleine – Auszeiten.