"Das ist wie ein Gewitter im Kopf!"
Mit Kindern auf der Spur ihrer Emotionen
von Jana Strahl
Wir alle kennen das – Situationen, Zeiten, in denen uns unsere Emotionen förmlich zu überrollen scheinen, wir ihnen vermeintlich nichts entgegenzusetzen haben. Und so haben wir alle auch als Erwachsene schon die Momente erlebt, in denen unsere Wut, unsere Angst, aber auch unsere Freude einfach die Regie übernommen haben und wir – zumindest für einen kurzen Moment – nur noch reagieren und nicht mehr wirklich agieren konnten.
Emotionen, egal ob positive oder negative, stressen unser Gehirn, es hat in gewisser Weise Ausnahmezustand und braucht Regulations- und Bewältigungssysteme, um damit umgehen zu können. Diese Systeme entwickeln sich im Laufe eines Menschenlebens erst, sind nicht quasi „vorinstalliert“, wenn wir auf die Welt kommen. Unser Gehirn speichert auf der Grundlage eigener Erfahrungen ab, welche Strategie uns in welcher Stresssituation, also auch bei welcher starken Emotion geholfen hat.
So tickt unser Gehirn:
Schaut man noch stärker auf das Thema Gehirn und Evolution, erhält man einen spannenden Blick in unsere Schaltzentrale. Darum soll es hier nicht vordergründig gehen, sondern wir wollen auf die Emotionen selbst schauen. Wenn ich zu einem anderen Erwachsen sage „Das hat mich total frustriert.“ oder „Man, da war ich vielleicht wütend!“ oder auch „Ich habe vor Freude geweint.“, kann ich davon ausgehen, dass mein Adressat mindestens mal eine Idee davon hat, wie ich mich gefühlt habe. Einmal, weil er selbst schon ähnliche Emotionen erlebt hat und weil er für diese Empfindungen einen Namen abgespeichert hat. Unser Gehirn lernt im Laufe der Entwicklung Emotionen zu unterscheiden und diese auch zu benennen. Wie geht das? Nun wir lernen eben auch, weil unsere wichtigen Bezugspersonen die Welt erklären. Und wenn ein Erwachsener beim vermeintlich gleichen Gefühlssturm eines Kindes immer wieder benennt „Du bist ziemlich wütend.“ wird auch das irgendwann einmal in den Langzeitspeicher des kindlichen Gehirns überführt. Und doch steht nach jedem weiteren ähnlichen Emotionstornado im kindlichen Gehirn wieder die Frage im Raum „War auch das jetzt Wut?“. Es braucht einfach viele mindestens ähnliche Erfahrungen, damit irgendwann eine gesicherte Zuschreibung erfolgen kann.
Die wirkliche Verknüpfung zwischen dem Empfinden einer Emotion und deren abstrakten Namen passiert erst über viele, viele Entwicklungsschritte der Kognition im kindlichen Gehirn. Damit das so früh wie möglich passieren kann, ist ein wertfreies Reflektieren von Emotionen notwendig. Das passiert, indem wir darüber reden. Nun ja, einerseits ist also der Name eines Gefühls für jüngere Kinder total abstrakt, andererseits sollen und müssen wir unseren Kindern aber die Scheu davor nehmen, über ihre Gefühle zu reden, sie zu reflektieren. Denn nur was ich in jeder Weise reflektiere und durchdenke, kann ich irgendwann kanalisieren und damit überhaupt erst eine Emotionsregulation möglich machen.
Wundervoll, wenn positive Emotionen für Ausbrüche sorgen
Wie Bildsprache hilft:
Was Kindern hierbei besonders hilft ist Bildsprache. Statt sagen zu müssen „Ich bin jetzt richtig wütend.“ lässt sich einfach auf ein passendes Bild zeigen und alle anderen wissen automatisch, wie das Kind sich fühlt, ganz unabhängig davon, wie dieses Gefühl nun heißt. Wie abstrakt Begriffe in diesem Zusammenhang für Kinder zunächst sind, wird im Titel deutlich.
Meine damals vierjährige Tochter beschrieb ihr Gefühl nach einem Streit mit einem anderen Kind im Kindergarten. Das „Gewitter im Bauch“ fühlte sie, nachdem ihr Gebasteltes von einem anderen Kind zerrissen wurde. Es beschreibt vor allem das machtvolle an solch starken Emotionen. Um das kryptische in diesen emotionalen Beschreibungen zu verstehen, sozusagen zu verifizieren, habe ich damals unterschiedliche Smiley-Gesichter genutzt. So ließen sich nicht nur die Emotionen voneinander abgrenzen, meine Tochter lernte, sich mit Hilfe dieser Bilder zu öffnen.
Frage ich Eltern danach, welche Ziele sie haben in der Erziehung ihrer Kinder, welche Erwachsenen also aus ihren noch kleinen Mäusen mal werden sollen, so steht die Kompetenz „Empathie“ auf der Wunschliste der Eltern sehr weit oben.
Wir wollen, dass unsere Kinder empathische Persönlichkeiten werden. Empathisch kann man allerdings nur dann werden, wenn man zum einen die Erfahrung von empathischem Umgang miteinander macht und zum anderen aber seine eigenen Emotionen versteht und lernt, sie zu artikulieren. So verwundert es nicht, dass mir heute auch Erwachsene begegnen, denen es unglaublich schwerfällt, ihre Gefühle in Worte zu fassen und die meist auch Schwierigkeiten haben, ihre Emotionen zu kanalisieren. Das äußert sich entweder in wütenden, zornigen, aber auch traurigen Ausbrüchen oder aber, es kehrt sich nach innen, die Menschen werden immer verschlossener und es endet in Explosionen oder Kurzschlusshandlungen. Hier kann Bildsprache dabei helfen, seine eigene Gefühlswelt wahrzunehmen, anzunehmen, besser zu verstehen und letztlich auch auf diesem Weg nach außen zu tragen, um ggf. Hilfe zu finden.