Alleinerziehende und Familienleitbilder im gesellschaftlichen Wandel
Alleinerziehende gab es immer schon – blickt man beispielsweise zurück auf die zahlreichen Kriegerwitwen des ersten und zweiten Weltkrieges mit ihren Kindern.
Erheblich gewandelt haben sich im Lauf der Zeit jedoch die Ursachen des Alleinerziehens, die rechtlichen Bestimmungen und die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen dieser Familienform.
2011 lebten im Bundesgebiet knapp 1,6 Millionen Alleinerziehende mit ledigen Kindern unter 18 Jahren, das entspricht 19,7 % aller Familien mit minderjährigen Kindern.
(Alleinerziehende in Deutschland – Lebenssituationen und Lebenswirklichkeiten von Müttern und Kindern, BMFSFJ Monitor Familienforschung Ausgabe 28, 2012, Seite 21)
Seit 1996 differenziert das statistische Bundesamt zwischen
- Ehepaaren mit Kindern
- Alleinerziehenden ohne Lebenspartner im Haushalt (den so genannten „echten“ Alleinerziehenden)
- und "Lebensgemeinschaften" als Haushalte, in denen zwei nicht miteinander verheiratete oder verwandte Personen (gleichen oder verschiedenen Geschlechts) gemeinsam mit Kindern leben.
(Vor 1996 waren die letzten beiden Gruppen zusammengefasst.)
Familien mit minderjährigen Kindern im Bundesgebiet 2011 (in Millionen)
Familien |
% |
minderjährige Kinder |
% |
|
---|---|---|---|---|
Ehepaare | 5.750 | 71,1 | 9.703 | 74,9 |
Alleinerziehende | 1.588 | 19,7 | 2.212 | 17,1 |
Lebensgemeinschaften | 743 | 9,2 | 1.040 | 8,0 |
insgesamt | 8.080 | 100 | 12.954 | 100 |
Quelle: Statistisches Bundesamt, Mikrozensus 2011
Zählt man die Alleinerziehenden hinzu, die mit volljährigen Kindern im Haushalt leben, so erhöht sich die Zahl der Alleinerziehenden auf 2,7 Millionen und die Zahl der Kinder auf 3,7 Millionen. Die statistischen Angaben variieren erheblich, je nachdem, ob die Statistik z. B. aus Perspektive der Eltern oder der Kinder berechnet ist, ob sie nur minderjährige Kinder und Jugendliche oder auch junge Volljährige bis 27 Jahre mitzählt, oder ob sie sich auf alle Alleinerziehenden oder nur die als "echte Alleinerziehende" bewerteten bezieht.
In den letzten Jahrzehnten stieg der Anteil von Alleinerziehenden an allen Familien kontinuierlich, wobei gleichzeitig festzustellen ist, dass die überwiegende Mehrzahl aller Eltern ihre Kinder auch heute noch gemeinsam großzieht.
Allein erziehend zu sein, ist ein vorwiegend weibliches Phänomen: 90 % der Kinder in Alleinerziehenden-Haushalten leben bei ihrer Mutter, 10 % beim Vater. Hier spiegelt sich die traditionell vorrangige Zuständigkeit der Mütter für die Versorgung und Erziehung von Kindern. Gerade Kleinkinder, für die es an Betreuungsangeboten mangelt, leben überwiegend bei ihren Müttern.
Alleinerziehende Mütter/Väter nach Alter des jüngsten Kindes
Quelle: Alleinerziehende in Deutschland – Lebenssituationen und Lebenswirklichkeiten von Müttern und Kindern, BMFSFJ Monitor Familienforschung Ausgabe 28, 2012
Verändert hat sich im Vergleich zu früheren Zeiten der Familienstand der allein Erziehenden: während früher der überwiegende Teil verwitwet war, ist der Anstieg der Alleinerziehenden in den alten Bundesländern in erster Linie auf die Zunahme von Trennungen und Scheidungen zurückzuführen; und in den neuen Bundesländern bleiben viele Paare mit Kindern unverheiratet.
Allein schon durch den quantitativen Zuwachs sind Ein-Eltern-Familien zu einer ‚normalen’ Familienform in unserer Gesellschaft geworden. Gleichzeitig unterscheiden sich die Lebenssituationen von Alleinerziehenden in Abhängigkeit vom Alter der Kinder und ihrer Mütter, von der Kinderzahl, von Ausbildung/Erwerbstätigkeit und Einkommen etc. derart, dass kaum von „den“ Alleinerziehenden gesprochen werden kann.
Außerdem wird das Alleinerziehen zunehmend als biographische Phase im Lebenslauf betrachtet, der andere Lebensformen voraus gingen und folgen werden.
Wesentliche Gemeinsamkeit von Alleinerziehenden bleibt, dass sie zumindest für eine Phase ihres Lebens für die Versorgung und Erziehung vor allem kleinerer Kinder im Alltag allein verantwortlich sind und gleichzeitig das Einkommen durch Erwerbstätigkeit sichern müssen (bzw. mangels Kinderbetreuungsangeboten nicht erwerbstätig sein können und auf ALG II Leistungen angewiesen sind).
Petra Winkelmann